* 4. April 1947
von Stefan Drees
Essay
Die Werke Salvatore Sciarrinos nehmen im gegenwärtigen Musikleben eine einzigartige Stellung ein. Wie kein anderer Komponist hat er es seit den späten 60er-Jahren verstanden, den Zeitströmungen den Rücken zu kehren, um sich seiner eigenen Konzeption von Musik zu widmen. „Ich mußte ganz von vorne beginnen, mir den Umgang mit den Instrumenten mit Hilfe einer unberührten Hand und eines jungfräulichen Ohrs auf der Grundlage eines Experiments zwischen Primitivismus, Ordnung und Futurismus erfinden“ (Sciarrino, zit. n. Stuppner 1993, 103). Mit seiner autodidaktischen Undiszipliniertheit, die „um keine historische Kontinuität bemüht sein mußte“, schuf Sciarrino ab 1966 „unerhörte klangliche Strukturen, zärtliche Klangschleifer, schleierhaft durchsichtige Agglomerate, flüssige und ätherische Gebilde, Klangräume voller Leere und die Leere voller Leichtigkeit“ (Stuppner 1993, 103).
Diese innovativen Merkmale zielen auf eine Vereinfachung sowie auf eine fundamentale Entstrukturalisierung der Musik; aus ihrer Verwendung resultieren Werke von hoher Ausdruckskraft und struktureller Klarheit. Eine Mischung aus Flageolettklängen, Glissandobewegungen, komplexer Ornamentik und geräuschhaften Aktionen in raschem Tempo bildet den Kern von Sciarrinos Personalstil. Das charakteristische Repertoire an Spieltechniken, das der Komponist für seine Werke entwickelte, führt zu einem „spezifischen Vorrat an Texturmodellen“ (Schäfer 1995, 16), die er im Sinne wiedererkennbarer musikalischer Charaktere einsetzt.
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